Karmann
Die Wilhelm Karmann GmbH war ein Automobil- und Karosseriebauunternehmen mit Hauptsitz im niedersächsischen Osnabrück.
Karmann fertigte Fahrzeuge, insbesondere Cabriolets und Coupés, auf Plattformen seiner Auftraggeber. Verbreitete Modelle des Unternehmens waren der VW Karmann-Ghia und das Cabriolet auf Basis des VW Käfers.
Insgesamt wurden von Karmann rund drei Millionen Fahrzeuge gefertigt. Daneben entwickelte und fertigte das Unternehmen Dachsysteme, Produktionsanlagen und Großwerkzeuge für andere Fahrzeughersteller. In den letzten Jahrzehnten übernahm Karmann auch Entwicklungsaufträge.
Außer dem Hauptsitz in Osnabrück gab es in São Bernardo do Campo, Brasilien sowie in Rheine Fertigungsstätten für Automobile. Weitere Produktionsstandorte insbesondere für Dachsysteme wurden in Plymouth (Michigan, USA), Puebla (Mexiko), Vendas Novas (Portugal), Żary (Polen), Yokohama (Japan) und Sunderland (England) aufgebaut. Ein Werk für Produktionssysteme wurde in Chorzów (Polen) errichtet.
Nachdem die Volkswagen AG ab Ende 2009 große Teile des insolventen Unternehmens übernommen hatte, begann die neugegründete Volkswagen Osnabrück GmbH im März 2011 mit der Produktion des VW Golf VI Cabriolet, des Porsche Boxster im September 2012 und des Porsche Cayman im November 2012 auf dem ehemaligen Karmann-Gelände.
Mitte der 2000er Jahre zeigten sich Probleme für die europäischen Auftragsfertiger von Nischenfahrzeugen. Die Beschäftigungssicherungsverträge der großen Hersteller mit den Gewerkschaften einerseits und die technischen Fortschritte im Fahrzeugbau führten dazu, dass der Bau auch von Nischenfahrzeugen nicht mehr ausgelagert wurde. Die Hersteller bauten diese Modelle selbst innerhalb ihres Produktionsverbundes. Zusätzliche Liquidität wurde benötigt, um die sich abzeichnende Krise bewältigen zu können. Nicht zum Kerngeschäft gehörende Geschäftsfelder wurden verkauft. Diesem Trend musste auch Karmann folgen.
Im Jahr 2007 veräußerte Karmann die Tochtergesellschaft Heywinkel an den Finanzinvestor Nord Holding Unternehmensbeteiligungsgesellschaft mbH aus Hannover. Weiterhin erfolgte zum 31. März 2008 der Verkauf der brasilianischen Tochtergesellschaft an die Grupo Brasil, einen bedeutenden brasilianischen Autozulieferer. Damit beendete Karmann nach fast 48 Jahren sein Engagement in Brasilien. Wie an den deutschen Standorten in Osnabrück und Rheine waren nahe São Paulo seit den 1960er Jahren komplette Fahrzeuge gefertigt worden, zuletzt der Land Rover Defender aus angelieferten Teilesätzen.
Da Audi die Produktion des neuen und vom A5 abgeleiteten Cabrio und auch Mercedes die Produktion des neuen CLK-Cabrios aufgrund der Beschäftigungssicherungsverträge wieder in die eigene Fertigung nehmen wollten, suchte Karmann seit Mitte der 2000er Jahre erfolglos nach Anschlussaufträgen für die Fahrzeugwerke in Osnabrück und Rheine. Noch bevor die Fahrzeugproduktion eingestellt wurde, meldete Karmann am 8. April 2009 die vorläufige Insolvenz an. Davon waren auch die mit der Wilhelm Karmann GmbH verbundenen inländischen Tochterunternehmen in Rheine (Kreis Steinfurt) und Bissendorf (Landkreis Osnabrück) betroffen. Als Insolvenzverwalter wurde Ottmar Hermann bestellt, der parallel zum vorläufigen Insolvenzverwalter von Woolworth bestellt worden war und bereits den Baukonzern Philipp Holzmann abgewickelt hatte. Als letztes Fahrzeug rollte am 23. Juni 2009 um 11:35 Uhr ein schwarzes Mercedes CLK-Cabriolet vom Band.
Sechs Monate nach Eröffnung der vorläufigen Insolvenz konnte der Insolvenzverwalter erste Erfolge bei der Restrukturierung der insolventen Karmanngruppe verzeichnen. Am 20. November 2009 teilte Volkswagen mit, Teile von Karmann übernehmen zu wollen. Somit wurden in Osnabrück ab 2011 wieder Fahrzeuge produziert. Aus der Karmann-Insolvenzmasse übernahm Volkswagen die Fabrikgebäude sowie Maschinen, Anlagen und Grundstücke. Die Volkswagen Osnabrück GmbH umfasst heute mit Ausnahme der Dachsysteme alle ehemaligen Karmann-Sparten von den Produktionssystemen (Metallgruppe) über Presswerk, Karosseriebau, Lackiererei, Montage bis hin zur Technischen Entwicklung.
Mit Wirkung zum 25. Februar 2010 wurde der japanische Produktionsstandort der Karmann Japan Co. Ltd. von dem Wettbewerber Magna International erworben. Somit fertigte Magna Steyr Dachsysteme (Verdecke) für den Nissan 370Z Roadster und das Infiniti G Cabrio.
Anfang August 2010 wurden die Standorte in den USA und Mexiko für ca. 60 Mio. US-Dollar an den Autozulieferer Webasto veräußert. Mit Übernahme dieser beiden Produktionsstätten erweiterte Webasto sein Produktportfolio um die Dachsysteme für den Ford Mustang, den Chrysler Sebring sowie um die Auslaufproduktion des Volkswagen Beetle Cabriodaches. Der Bereich „Karmann Dachsysteme“ mit den verbliebenen Fertigungsstätten in Osnabrück und Żary in Polen wurden Ende 2010 von dem finnischen Autozulieferer Valmet Automotive, einer Tochtergesellschaft des finnischen Großunternehmens Metso, übernommen.
Zum 1. März 2011 gab Volkswagen bekannt, die Metallgruppe der Karmann GmbH zu übernehmen, die für die Produktion von Presswerkzeugen verantwortlich ist. Der polnische Standort der Metallgruppe mit etwa 34 Mitarbeitern wurde an die auf Automatisierungstechnik spezialisierte IWM Automation GmbH (Porta Westfalica) verkauft. Die Karmann Engineering Services (KES) mit rund 70 Mitarbeitern wurde zum 1. Januar 2010 an Ferchau Engineering verkauft. Die Firma trägt nun den Namen CES Engineering GmbH. Die Standorte Bissendorf, Wolfsburg, Sindelfingen, Ingolstadt und München sollen erhalten bleiben.
Im Juni 2011 kaufte die Daimlertochter MBtech Group den 60-prozentigen Anteil der Karmann GmbH an der Automotive Testing Papenburg (ATP GmbH). MBtech wurde damit zur alleinigen Eigentümerin. Im gleichen Monat gab VW die Übernahme der kompletten, 137 Deponate umfassenden Automobilsammlung Karmanns bekannt. Sie umfasst die Historie des Autobauers und Karmann-Fabrikate wie auch Prototypen und Konzeptfahrzeuge, die nicht in Serie gingen. Zuvor hatte Volkswagen nur die Übernahme von 64 Fahrzeugen geplant, die Karmann im Auftrag von VW entwickelt hatte. So konnte die Sammlung vor der Zerschlagung gerettet und vollständig erhalten werden. Die Automobilsammlung Volkswagen Osnabrück ist bei Veranstaltungen und im Rahmen einer Werksführung geöffnet.
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