Mercedes-Benz 300 SEL (109) (1965-1972)
Der W 109 war ein Oberklasse-Modell von Mercedes-Benz und von September 1965 bis Herbst 1972 in Produktion.
Die 300 SEL mit Luftfederung bekamen die Bezeichnung W 109, während die Modelle mit konventionellen Stahlfedern als W 108 bezeichnet wurden.
Die Modellpflege im Frühjahr 1968 brachte den Übergang von der mechanischen zur elektronischen Saugrohreinspritzung.
Die Produktion der erfolgreichen Baureihe endete im November 1972. Als Nachfolger fungierte die „S-Klasse“ der Baureihe W 116.
Waren im August 1965 die zum Teil schwächer motorisierten Typen 250 S, 250 SE und 300 SE als neue Generation der Mercedes-Benz-Oberklasse erschienen, so wurde im September 1965 der Nachfolger des 300 SE lang (W 112) mit Luftfederung vorgestellt. Auch er erhielt die von Paul Bracq gezeichnete Karosserie, deren Linienführung an das Coupé der Reihe W 111 erinnerte.
Anders als den stets mit Luftfederung ausgerüsteten W 112, der mit kurzem und langen Radstand (+100 mm) erhältlich war, gab es den ebenfalls stets mit Luftfederung ausgerüsteten W 109 nur mit langem Radstand. Vom mit kurzem oder langem Radstand erhältlichen 300er des Baumusters W 108 unterscheidet sich der W 109 außer durch seine Luftfederung im Detail bei den Motoren (Aufhängung für den Kompressor), bei der Innenausstattung, bei der Grundausstattung und den Türen.
Ab Januar 1968 wurde eine überarbeitete Version der Modellreihe angeboten. Die Änderungen betrafen unter anderem das Motorenangebot, den Innenraum und die Gestaltung der Lenksäule.
Bei den Automatik-Versionen änderte sich die Wähl-Betätigung am Mittelhebel: die Parkstellung P war zunächst hinten, 1968 kam sie wie allgemein üblich nach vorn.
Der Motor des 300 SEL mit Aluminiumblock und -kopf leistete 125 kW (170 PS) bei 5400/min. Eine leistungsgesteigerte Version des 2,8-Liter-Einspritzmotors mit 125 kW (170 PS) wurde nicht nur in den zweisitzigen Sportwagen 280 SL (W 113) eingebaut, sondern auch ab Januar 1968 in den 300 SEL. Dort ersetzte er den gleich starken, aufwendig zu fertigenden und viel Benzin verbrauchenden 3,0-Liter-Leichtmetallmotor. Diese seltene Variante wird auch 300 SEL 2.8 genannt, ohne dass die ergänzende Hubraumbezeichnung auf dem Kofferraumdeckel erscheint.
Spitzenmodell der Modellreihe W 109 wurde im März 1968 der Typ 300 SEL 6.3 mit dem V8-Motor M 100 und dem Automatikgetriebe des W 100 (Mercedes-Benz 600). Er leistet 184 kW (250 PS) bei 4000/min. Das maximale Drehmoment beträgt 500 Nm bei 2800/min. Seine Spitzengeschwindigkeit beträgt 220 km/h, die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h dauert 6,5 Sekunden (Werksangabe). Seine Vorstellung auf dem Genfer Auto-Salon war eine Sensation, zumal es im Vorfeld keinerlei Andeutungen gegeben hatte. Von außen war der 6.3 nur an den breiteren Reifen, den H1-Halogen-Doppelscheinwerfern und den zusätzlichen Weitstrahlern zu erkennen. Der Preis des neuen W 109-Spitzenmodells betrug anfangs 39.160 DM und lag zum Ende der Modellreihe im Januar 1972 bei 47.397 DM, was nach heutiger Kaufkraft und inflationsbereinigt 82.900 bzw. 85.900 Euro entspricht. Obwohl 1968 das Modell über 13.000 DM mehr kostete als der 300 SEL mit 2,8-Liter-Motor und mehr als doppelt so teuer war wie der 280 SE (W 108), stieß der „6.3“ auf Interesse und wurde in einer Stückzahl von 6.526 Einheiten produziert.
Schnell fand der 6.3 auch Eingang im Tourenwagen-Rennsport und im Rallye-Sport. Der Wagen wurde auch ein beliebtes Tuning-Objekt, da der Motor mit niedriger spezifischer Leistung 29 kW/l ausgelegt war und ihm ohne viel Mühe höhere Leistung entlockt werden konnte.
Im Herbst 1969 wurde der 300 SEL mit 2,8-Liter-Sechszylindermotor vom Typ 300 SEL 3.5 abgelöst. Der neu konstruierte M 116 war ein V8-Motor mit 3,5 Liter Hubraum, 147 kW (200 PS). Er war der erste Mercedes-Motor mit elektronisch gesteuerter Einspritzung (Bosch D-Jetronic).
Die mechanischen Sechsstempel-Einspritzpumpen lösten bei Baubeginn die einfacher aufgebauten Einspritzsysteme mit Zweistempelpumpen und Mengenteilern ab, die nur schwer sauber einzustellen waren und oft mit hohem Verbrauch auffielen. Diesen Benzineinspritzsystemen war, im Gegensatz zu den einfacheren Dieseleinspritzpumpen, ein stählerner Steuernocken („Raumnocken“) zu eigen. Er war in zwei voneinander unabhängigen Achsen verstellbar, und zwar wurde er entsprechend der Drehzahl längs verschoben und entsprechend der Last (Gaspedalstellung) verdreht. Eine feststehende Tastrolle bestimmte die zuzumessende Kraftstoffmenge anhand des gerade anliegenden Radius'. Der komplexe, kopiergefräste Raumnocken („Kartoffel“) bildete das Verbrauchskennfeld des Motors ab. Hinzu kamen Korrekturelemente für Warmlauf und Höhe.
Die feinmechanischen Anforderungen dieser Bosch-Systeme führten in den 1960er Jahren zu den bis dato komplexesten Wartungs- und Reparaturarbeiten an Automobilen. Eines der teuersten Ersatzteile der Automobilgeschichte überhaupt ist die mechanische Achtstempel-Einspritzpumpe des 6,3-Liter-V8-Motors, die in den 1980er Jahren als neues Bosch-Ersatzteil in Kleinstserie bis zu 40.000 DM kostete. Diese Systeme waren dann mit ihren Fertigungskosten, Eigenheiten und Mängeln der Anlass für die Entwicklung einfacherer Einspritzsysteme beim Übergang in die 1970er Jahre.
Die kleineren Achtzylinder bekamen als erste Serienfahrzeuge von Daimler-Benz ein elektronisches Einspritzsystem, die Bosch-D-Jetronic.
Die Vorderräder sind einzeln an Doppelquerlenkern mit Schraubenfedern, Teleskopstoßdämpfern und Stabilisator aufgehängt. Die Achse und der Motor sind auf einem Fahrschemel montiert, der hinten über Gummilager und vorn über (die Längskräfte aufnehmenden) Blattfedern mit der Karosserie verbunden sind. Hinten ist eine Eingelenk-Pendelachse eingebaut.
Die Baureihe W 109 hatte von Anfang an Scheibenbremsen an allen vier Rädern. Zur Bremse gehörte ein Unterdruckservo. Die Feststellbremse wirkt über Seilzüge auf Duo-Servo-Trommelbremsen an der Hinterachse. Das Lenkgetriebe arbeitet mit einem Kugelgewindetrieb (Kugelumlauflenkung).
Es gab ab Werk serienmäßig nur viertürige Limousinen mit langem Radstand. Vereinzelt sollen sie auch zu Cabriolets oder Landaulets umgebaut worden sein. Bekannt ist ein Landaulet für Papst Paul VI., das später für Papst Johannes Paul II. nachträglich teilgepanzert wurde. Daimler-Benz erfüllte gegen entsprechenden Aufpreis auch ausgefallene Kundenwünsche.