Autonomes Fahren

Unter autonomem Fahren (auch hochautomatisches oder vollautomatisiertes Fahren genannt; im engeren Sinne nur die höchsten Stufen der Automatisierungsgrade nach Level 4 und 5) ist die Fortbewegung von Fahrzeugen, mobilen Robotern und fahrerlosen Transportsystemen zu verstehen, die sich weitgehend autonom verhalten.

Vom Ursprung des Wortes her ist das Kraftfahrzeug schon immer autonom: Der Begriff „Automobil“ besagt, dass sich ein Gefährt, ohne geschoben oder von Tieren gezogen zu werden, wie von alleine fortbewegt.

Seit in Fahrzeugen Mikroprozessorsysteme, Sensoren und Aktoren zusammenwirken, erfährt der Autonomiebegriff eine Präzisierung: Das Fahrzeug macht nicht den Fahrer autonom, sondern es fährt selbständig.

Die deutsche Bundesanstalt für Straßenwesen unterscheidet zwischen assistiertem, automatisiertem und autonomem Fahren. Fahrzeuge mit assistierenden und automatisierten Systemen, die sich ähnlich wie Flugzeuge im Autopilotmodus verhalten, können also Lenk-, Blink-, Beschleunigungs- und Bremsmanöver längs und quer der Fahrspur ohne menschliches Eingreifen durchführen. Abhängig vom Automatisierungsgrad spricht man bei den höchsten Stufen von autonomem Fahren (Hoch- und Vollautomatisierung, Level 4 und 5). Bereits in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts postulierte A. A. Kucher, seinerzeit leitender Ingenieur der amerikanischen Ford-Werke, als Mittel gegen die schwindenden Rohölreserven, zur Entlastung der Verkehrsadern und vor allem zur Senkung der steigenden Unfallzahlen die Forderung nach der Entwicklung einer Art elektronischer Autobahn für elektrisch betriebene Autos: „In den ‚Automobilen‘ von morgen wird es keine Abhängigkeit mehr von der menschlichen Reaktionsfähigkeit geben. Die Führung der Fahrzeuge wird über eine narrensichere elektronische Steuerung erfolgen.“ Pionier auf diesem Gebiet wurde dann Ernst Dickmanns, der in den frühen 1980er-Jahren mit Experimenten auf noch nicht für den Verkehr freigegebenen Autobahnabschnitten begann. Sein „Versuchsfahrzeug für autonome Mobilität und Rechnersehen“ VaMoRs (englisch VaMP) durchfuhr ab 1986 längere, verkehrsreiche Strecken teilweise autonom, jedoch noch mit starken Eingriffen durch den Fahrzeugführer. Die ersten seriennahen autonomen Fahrzeuge stellte Audi im Januar 2015 auf der CES in Las Vegas unter dem Begriff „pilotiertes Fahren“ vor. Sie fuhren mehrere hundert Kilometer Autobahn durch die Wüste von Nevada ohne Eingriff durch die Person am Steuer.

 

 

Das fahrerlose Fahren bekam 2004 starken Auftrieb durch den DARPA-Wettbewerb in den USA, wo auch deutsche Automobilhersteller Preise gewannen.

Eine erste Anwendung des fahrerlos autonomen Fahrens ist das autonome Einparken. Der Fahrer sitzt dabei nicht mehr selbst im Fahrzeug, sondern aktiviert die Einparkautomatik von außen. Dies wurde ab ca. 2010 erprobt und 2015 als kurz vor der Serieneinführung stehende Anwendung angekündigt. Allerdings waren auch 2021 lediglich Systeme auf dem Markt, die eine ständige Überwachung durch den verantwortlichen Fahrzeugführer benötigen. Eine Spezialfunktionalität bietet das vollautomatisierte Valet-Parken. Hierbei wird das Fahrzeug wie beim Valet-Parken in einer Abstellzone abgestellt, fährt dann aber selbstständig, ohne menschliche Überwachung, aber ggf. unterstützt vom im Parkhaus installierter Technik zum Parkplatz.

Das Beispiel eines anderen Fahrzeugtyps, der sich ohne Insassen und insbesondere ohne Fahrer fortbewegte, war der (nie auf dem Mars gelandete) sowjetische Marsroboter Prop-M von 1971. Mit dem „mobilen Roboter“, von dem hier die Rede ist, ist eine bewegliche Maschine gemeint. Die Aufgabe solcher Systeme besteht darin, dem Menschen mechanische Arbeit abzunehmen. Außerdem können sie mit ihrer Umgebung selbständig agieren und sich in ihr bewegen. Mobile Roboter werden oft bereits dann als autonom bezeichnet, wenn sich die sie steuernde Software/Elektronik/Hardware „on board“ befindet. Der Roboter ist dann solange autonom, wie seine Energieversorgung dies zulässt. Dem Roboter Anweisungen zu übermitteln, wie oder welche Aufgabe er zu diesem oder jenem Zeitpunkt zu erledigen hat, beeinträchtigt nicht seine Autonomie. Ein Roboter gilt erst dann als vollständig autonom, wenn er in Bezug auf seine Energieversorgung autark ist.

Fahrzeuge, die für den Transport gedacht sind und ohne Fahrer auskommen, sind in der Industrie weit verbreitet. Mithilfe von Sensorik und Software zur Lokalisation, Navigation und Pfadplanung suchen sich diese mobilen Transportroboter auf einem fest definierten Gebiet ihre Wege selbständig.

Einige Universitäten richten Wettbewerbe mit kleinen Modellfahrzeugen aus, die autonom vorgegebene Strecken mit Hindernissen abfahren.

Im Jahr 2035 könnten laut einer Studie der Unternehmensberatung Oliver Wyman teil- und vollautomatisierte Fahrzeuge zwischen 20 und 35 Prozent der globalen Fahrzeugproduktion ausmachen. Das Fraunhofer-Institut IAO prognostizierte im November 2015 in einer Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums, das autonome Fahren werde „bereits vor 2025 technische Reife erlangen“ und danach eine „Wertschöpfung am Standort Deutschland in Höhe von 8,8 Milliarden Euro“ ausmachen.

Im Dezember 2016 übergab die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (acatech) dem Bundesverkehrsministerium eine Studie, in der acatech nicht vor 2030 mit autonomen Fahrzeugen rechnet. Gleichzeitig werden seit Oktober 2016 alle Tesla-Fahrzeuge mit einer Hardware ausgeliefert, die es zukünftig erlauben soll, die Fahrzeuge vollautonom, also nach dem SAE Level 5 zu fahren. Die Prognose von Tesla, dass das autonome Fahren bereits im Jahr 2017 mit den Tesla-Fahrzeugen möglich sein wird, bewahrheitete sich nicht. 2019 war auf der Tesla-Website zu lesen, dass das System einen autonomen Betrieb „unter fast allen Umständen“ ermöglichen solle.

Ende 2022 wurde in Bern das erste autonome Lieferfahrzeug der Schweiz vorgestellt und für den Frühling 2023 dessen Pilotbetrieb angekündigt.

Das autonome Fahren wirft schwierige haftungsrechtliche Fragen auf, die ethisch und rechtsphilosophisch beantwortet werden müssen.

Das Thema ist mehrmals vom Deutschen Verkehrsgerichtstag beraten worden. Die ständige Kommission des 53. Deutschen Verkehrsgerichtstags ging im Januar 2015 davon aus, dass die Technik einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs leisten könne. Eine vollständige und dauerhafte Einführung des Systems würde nach den derzeitigen rechtlichen Möglichkeiten aber nicht gegeben sein. Daneben wurde gefordert, dass der Fahrer selbst über die Nutzung des Systems entscheiden könne (Abschaltbarkeit) und jederzeit über den Automatisierungsgrad informiert werde. Der hochautomatisierte Fahrbetrieb müsse dann den Fahrer von Sanktionen und der Fahrerhaftung freistellen.

Der 54. Deutsche Verkehrsgerichtstag im Januar 2016 endete mit einem Streitgespräch zum autonomen Fahren. Schwerpunkte der Diskussion waren der ethische Aspekt (wie soll der Algorithmus in „Dilemmasituationen“ reagieren) und die gesellschaftliche Akzeptanz. Erschwert werden die Dilemma-Situationen dadurch, dass international verschiedene Rechts- und Werteverständnisse aufeinander treffen und man sich möglicherweise nicht auf eine gemeinsame Ethik einigen könne.

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